Ein Schneider aus Gadebusch, der es liebte, lange im Wirtshaus zu sitzen, entdeckte einmal auf dem mitternächtlichen Heimweg in der Kirche einen hellen Lichtschein. Neugierig öffnete er die Tür. Da erblickte er vorn am Altar die Geister der Toten, die in langen weißen Gewändern im Kreis tanzten.
Das Bier hatte ihn mutiger gemacht, als ratsam war, und so wagte er sich weiter in die Kirche hinein. Doch kaum hatten ihn die Toten erblickt, fuhren sie auf ihn los. Der Schneider rannte um sein Leben und gelangte gerade noch bis zur Tür, die er krachend hinter sich zuschlug, aber so hastig, daß ein Zipfel seines Rockschosses eingeklemmt wurde. Da ihm sein Leben teurer war als sein Rock, riß er sich von der Tür los und eilte atemlos nach Hause.
Am nächsten Morgen konnte er sehen, daß er gut daran getan hatte, seinen Rockzipfel im Stich zu lassen. Denn der Stoff war in tausend Stücke zerrissen worden, die überall in der Kirche verstreut lagen.
De Dodendanz vun Gadbusch
Ein Schnieder ut Gadbusch, de heil giern heil lang in'n Kraug sitten ded, wier mal eins Schlag Middernacht up den Weg na Hus. Dor markt hei, dat ut de Kark ein hellüchten Licht schient. Niegierig makt hei de Karkendör up. Dor süht hei vörn an'n Altor de Späukels vun de Doden, de in lang un witt wallen Kleeder in ein runnen Reigen danzen deden. Dat Beer, wat hei drunken harr, dat harr em miehr Kraasch gäben, as nu gaud för em wier, un so wagt hei sik ümmer wieder rin in de Kark. Öwer knapp wiern de Doden em gewohr worden, dor güngen sei up em los. De Schnieder rönn üm sien Läben un keem grad noch äben bet tau de Dör, de hei mit Kawumm achter sik tauschloeg.
Dat güng öwer so holter-di-polter, dat ein Zippel vun sien Kledasch inklemmt würr. Wiel em öwer sien Läben dürer wier as de Rock, reet hei sik vun de Dör los un peste, heil ut de Pust, na Hus.
Annern Morgen kunn hei seihn, dat hei man gaud an dahn harr, sien Kledaschenzippel in de Dör sticken tau laten. Denn dat Tüch wier in dusend Stücken räten, de öwerall in de Kark herümme lägen.
Quelle:
Gottfried Müller, Klaus G. Beyer: Das Geschenk des Mönchs, Ev. Verlagsanstalt Berlin; in ähnlicher Fassung bei Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg, erzählt von E. H. H. Schmidt, ins Plattdeutsche übersetzt von Thomas Lenz