Von der Stadt Tappenhagen

Nahe dem heutigen Städtchen Schönberg gab es eine Stadt, lange bevor Schönberg gegründet worden war. Die Stadt war umgeben von einer Befestigung aus Bohlen und Stämmen und ihre Häuser waren von Holz und Lehm. Noch heute deuten die Flurnamen der Dörfer Rupensdorf und Petersberg auf den Friedhof und die Kirche hin.
Ein Ritter hatte Schutz und Trutz der Stadt übernommen. Er hatte sein Haus auf einem Hügel nach Sonnenuntergang über der Stadt, nahe den Sümpfen des Rupensdorfer Baches. Er lag aber seit Langem in Streit mit einem Ritter hinter dem nördlichen Hügelzug, dem Ritter von Bechel. So rüsteten sie beide und begegneten sich im Morgengrauen auf dem Steg über den Rupensdorfer Bach. Keiner wollte sein schwer gerüstetes Pferd wenden in dem weichen Gelände. Die Pferde schnauften und scheuten. Da rief der Ritter von Rupen: „Weißt Du nicht, wie man ein Pferd rückwärts durch das Moor bringt?“ Doch der Herr von Bechel lachte höhnisch: „Es hat mich noch niemand gelehrt, rückwärts zu gehen! Meinst Du, du kannst es mir beibringen ?“ Und sie senkten ihre Lanzen und trieben ihre Pferde aufeinander zu. Mitten in den Sümpfen trafen sich die Streiter und die Lanzen trafen beide hart. Die Reiter stürzten mit ihren Pferden und den schweren Rüstungen in das Ried und das dunkle Wasser. Beide verloren jeden Halt und konnten sich in den Rüstungen nicht erheben. Wild schlugen die ertrinkenden Pferde um sich und manch Hufschlag traf auch den Mann.
Als der Frühnebel sich hob war kein Laut mehr zu hören. Das Wasser stand ruhig in dem aufgewühlten Moor und beide Ritter waren tot.
Da erhob sich großes Wehklagen in der Stadt, denn der Behüter der Stadt war tot. Kein Schutz war gewährt. Und die Leute eilten vor die Tore, um ihren toten Herrn zu bergen. Sie verließen eilig die Häuser und achteten nicht auf die Feuer unter der Morgensuppe. In einem Haus genügte der Funkenflug durch den Zug der offenen Tür - das Feuer fraß das Haus und sprang auf die Nachbarhäuser über. Schnell breitete sich der Brand aus in der ganzen Stadt. Tappenhagen stand in Flammen und die Bewohner rannten wehklagend vom Moor zurück in die Stadt. Was sie konnten schleppten sie Wasser herbei, in Hüten und Stiefeln, in Umhängen oder mit den bloßen Händen. Sie warfen das Wasser gegen das Feuer, immer wieder. Das Wasser sammelte sich auf dem schweren Boden um die Stadt, es konnte nicht ablaufen in den Rupensdorfer Bach. Aber die Stadt verbrannte dennoch mit all´ ihrem Hab und Gut, mit ihrer Kirche und ihren Speichern, ihren Hütten und dem hölzernen Wall außen herum. Nichts blieb von Tappenhagen, außer dem Löschwasser. Das bildet heute einen tiefen See, den „Trönnelsee“.
Das Land der toten Ritter fiel an den Fürsten zurück, und er gründete zwei Dörfer daraus, Rupensdorf und Bechelsdorf. Die Überlebenden von Tappenhagen aber siedelten sich im nahen Dorf Schönberg an.
Im Trönnelsee aber liegt noch immer die Glocke von Tappenhagen und wer Ohren hat zu hören, der kann sie läuten hören in den Neujahrsnächten oder zur Karfreitagsmesse. Und wenn die Fischer mit ihren Netzen anhaken im Trönnelsee, so befreien sie sie ganz behutsam, damit sie den Kirchturm nicht beschädigen, den von der versunkenen Kirche. Dennoch träumt jeder Fischer davon, den riesigen Hecht zu fangen, der die Kirchglocke bisweilen um den Hals tragen soll. Aber das ist vielleicht doch ein Märchen aus einer anderen Gegend.

Autorin: Dorothea Wende; Einblicke LK NWM Heft 7

Von der Stadt Tappenhagen - Plattdeutsch

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Schönberg

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