An den Ufern des Tressower Sees bei Wismar erheben sich einige Hügel, deren einer, mit Baum und Strauch bewachsen, der Kellerberg heißt. In alter Zeit hauste dort ein Raubritter. Er hatte viele Höhlen in diesem Berge, die alle miteinander in Verbindung standen und viele so geschickt angelegte Ein- und Ausgänge, dass der Räuber allen Verfolgern stets entging, denn Niemand vermochte nur einen einzigen Zugang zu entdecken. So hatte er sich bald zum Herrn der Landstraße von Wismar nach Grevesmühlen gemacht, die in einiger Entfernung an diesem Berge vorführt. Er legte stets eine Kette bei Gressow quer über die Chaussee, und eine zweite am Sternkrug ebenso. Diese Ketten waren mit Glocken verbunden, die sich im Inneren des Berges befanden. Kam ein Fuhrwerk des Weges, so bewegten sich die Ketten und der Ritter wurde alsbald durch die Glocken benachrichtigt, aus welcher Richtung der Wagen kam. So trieb er geraume Zeit sein Wesen und häufte ungeheure Schätze an. Eines Tages verschwand in dieser Gegend ein Bauernmädchen und alles Suchen und Forschen nach demselben war umsonst. Etliche Jahre waren schon verflossen, als die Verschwundene plötzlich zu Grevesmühlen auf dem Jahrmarkte erschien. lhre Verwandten drangen mit Fragen in sie, doch das Mädchen wollte keine Auskunft geben. Sie sei durch einen furchtbaren Schwur gebunden, keinem Menschen auf der Welt ihren Aufenthalt zu entdecken; breche sie diesen Schwur, so hätte dies unfehlbar ihren Tod zur Folge. Da kam einer ihrer Verwandten auf einen Gedanken. Das Mädchen hatte geschworen, keinem Menschen ihr Schicksal mitzuteilen aber einem leblosen Gegenstande konnte sie es erzählen, ohne dadurch meineidig zu werden. Auf seinen Rat ging das Mädchen zum Ofen und erzählte ihm, der Ritter habe sie in dem Berge am Tressower See gefangen gehalten, nach vielen Bitten ihrerseits habe er ihr endlich Erlaubnis erteilt, den Grevesmühlener Markt besuchen. Doch zuvor habe er ihr jenen Schwur abgenommen, der sie zur Treue zu ihm und zum Stillschweigen über ihr Schicksal verpflichte. Man gab nun der Gefangenen Erbsen mit auf ihren Rückweg und hieß sie dieselben auf ihrem Wege ausstreuen. Eine große Zahl Bewaffneter machte sich darauf auf den Weg und verfolgte, durch die Erbsen geleitet, die Spur des Mädchens. Gleich wurde der
Eingang gefunden und der Berg auf allen Seiten besetzt. Dem Ritter blieb jedoch ein geheimer Ausgang nach dem See zu. Eilig raffte er seine bedeutenden Schätze zusammen, packte sie in eine goldene Wiege und warf sich mit dieser in einen Kahn. So entkam er auf den See, doch auch das jenseitige Ufer war von Feinden besetzt. Als er sich von allen Seiten von Verfolgern umgeben und nirgends ein Entkommen mehr sah, da bohrte er ein Loch in den Boden des Kahns und versank mit allen seinen Schätzen in der Mitte des Sees.
Bis auf den heutigen Tag sollen Ritter und Gold auf dem Boden des Sees ruhen.