In eisgrauer Vorzeit, als die Menschen in dieser Gegend erste Felder anlegten und in schwerer Arbeit mit dem Holzpflug gut Erträge von den sandigen Äckern holten, lebten sie noch einträchtig beisammen. Sie bauten kleine, heizbare Holzhäuser im Kreis um den Anger und der Ertrag der Ernte brachten sie in gemeinschaftlichen Speichern unter.
Die Tiere wurden auf dem Anger gepfercht und in den Wäldern unter Eichen und Buchen geweidet. In den Sommernächten, wenn nach der Tagesarbeit die Pferde und Zugrinder der Bauern zur Weide in den Wald getrieben wurden, mussten die Tiere bewacht werden.
Einmal war eine Schar übermütiger junger Leute damit beauftragt. Die nächtlichen Wächter wurden gut mit Wurst und Brot versorgt, bewachten sie doch wertvolles Gut aller. Gegen Mitternacht legte sich die kleine Gruppe von sieben Jungbauern zur Mahlzeit nieder. Ruhig weideten Ochsen und Pferde um sie herum. Die Jungen waren gesättigt und labten sich reichlich an dem mitgebrachten Konfent. Dieses schwache Bier stieg ihnen zu Kopf und die Langeweile trieb sie zu leichtsinnigem Spiel. Sie formten aus den Resten der Mahlzeit ein Kegelspiel: aus den Würsten die Kegel, aus dem Brot die Kugel. Dann rollten sie munter und ihr Johlen hallte durch den nächtlichen Wald.
Da besann sich einer: „Pst, wir locken ja die Räuber an!“
Die anderen lachten: „Wo sollen denn hier Räuber sein. Wir sind die stärksten im Wald und unser Dorf das Einzige in dieser Gegend.“
Der Vorsichtige aber sah auf das Kegelspiel: „Wir sollten mit unserem Essen nicht so umgehen. Denkt an den Winter, da fehlte es manchmal an Wurst und Brot.“
Die anderen lachten: „Aber heute haben wir genug, und im Winter kommt's wie‘s kommt.“
Das wilde Spiel ging weiter. Einer hob die Kugel, drehte sich herum und wollte sie rückwärts durch die Beine rollen. Da ging ein Rauschen durch den Wald und ein Stöhnen und ein eisiger Luftzug fuhr zwischen den Stämmen hindurch.
Die Tiere hoben die Köpfe, die Burschen erstarrten. Die Kugel fiel dem Werfer aus der Hand.
Die Tiere drängten sich zusammen, warfen die Köpfe und brüllten. Sie zogen einen engen Wirbel und stampften ins Dorf zurück. Die Bauern erwachten und fingen die Tiere ein. Doch keiner wagte sich in den stürmischen Wald.
Erst am Morgen zogen die Männer mit Waffen hinaus und die Frauen folgten ihnen bangen Herzens. Sie fanden ihre Jungen niemals mehr und keine Spur von ihnen oder von Brot und Wurst. An jener Stelle aber, an der das nächtliche Lager aufgeschlagen war, standen sechs aufrechte Steine, ein siebenter, gebeugter, etwas abseits. Und mit tränenvollen Augen meinte eine Mutter, an einem der Steine die Sommersprossen ihres Sohnes in den Farben des Granits zu erkennen.
Später hat man immer wieder versucht, die Steine zum Bauen zu verwenden, aber wenn immer ein Meißel angesetzt wurde, so stöhnte der Wind und sachte drang dünnes Blut aus der Schlagstelle.
So stehen sie noch heute an der Landstraße zwischen Beidendorf und Dambeck und mahnen, sorgsam umzugehen mit Hab und Gut: Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not...
Quelle: Dorothea Wende: Aus Einblicke Heft 7 LK NWM