Der Dänenkönig und der Graf
Im 13. Jahrhundert ergab es sich, dass unsere Burg zu Neustadt-Glewe zwischenzeitlich einen königlichen Gast beherbergte, wobei es sich hier wohl kaum um eine Aufwartung handelte, als vielmehr um eine Gefangenschaft. Doch wie kam es dazu und wer war dieser königliche, unfreiwillige Besucher?
Alles begann im Jahre 1194, als Heinrich I. Graf von Schwerin wurde. Zusammen mit seinem Bruder Gunzelin II. teilte er sich die Führung der Schweriner Grafschaft zunächst. Doch unter Brüdern kam es, genauso wie heute, auch schon in früheren Zeiten zu Streitereien, erst recht, wenn es um Macht und Einfluss ging. Dies nutzte der damalige dänische König Waldemar II. zu seinen Gunsten. Nachdem Heinrich zuallererst aus seinem Besitz vertrieben wurde, blieb ihm alsbald nichts anderes übrig, als dem dänischen König im Jahre 1214 seinen Lehenseid zu schwören. Denn nur so konnte er wieder zurück nach Schwerin ziehen.
Der Dänenkönig Waldemar II. war ein sehr ehrgeiziger Herrscher, der sein Territorium stetig zu erweitern suchte. Dies tat er mit viel Kalkül, lukrativen ehelichen Verbindungen seiner Familienmitglieder und sonstigen geschickten Verhandlungen und Strategien. Daher nutzte er ohne Scham die Gelegenheit, als Graf Heinrich I. zu Schwerin auf Kreuzfahrten unterwegs war und somit keinen Einfluss nehmen konnte, sich immer mehr von der Grafschaft Schwerin einzuverleiben. Offiziell stand die Gräfin Audacia, Gemahlin von Heinrich I., unter seinem Schutz und Heinrich vertraute auch darauf, doch in Wirklichkeit nutzte Waldemar ihre fromme Zurückhaltung, um sein Königreich weiter nach Süden auszubauen. Es wird sogar behauptet, er hätte die Frömmigkeit von Gräfin Audacia auf die Probe gestellt und sie in ihrer Ehre befleckt. In diesem Punkt scheinen sich die Geschichtsschreiber nicht einig zu sein. Ob nun unsittliche Befleckung ihrer Tugend oder die gewaltsame, unrechtmäßige Inbesitznahme ihrer Habseligkeiten und Güter, der Gräfin Audacia wurde in jedem Fall Unrecht getan.
Als Heinrich I. zurückkehrte, musste er dies schmählich erfahren. Zornig über das, was während seiner Abwesenheit geschah, und weil seine diplomatischen Bemühungen nicht fruchteten, unternahm er einen tollkühnen Plan. Im Jahre 1223 entführte er König Waldemar II. und dessen Sohn, als die beiden auf einem Jagdausflug waren und selig schliefen, verschiffte sie an die deutsche Küste und nahm die beiden in Gefangenschaft. Da Schwerin zu diesem Zeitpunkt unter dänischer Hoheit stand, musste er seine unfreiwilligen, königlichen Gäste woanders unterbringen und verstecken. Dies soll er an mehreren Orten getan haben, unter anderem in Lenzen in der Mark Brandenburg oder der Festung Dannenberg. Aber auch die Burg zu Neustadt-Glewe soll einstweilig als Gefängnis für König Waldemar II. und seinen Sohn genutzt worden sein.