iUnweit der Straße Kiekindemark - Stolpe, dicht an der Parchimer Landwehr, steckt tief in der Erde ein Findling. Zwölf schmale Kerben ziehen sich quer über seine Oberfläche. Es sind Spuren einer unvollendeten Spaltung. Das ist der Brautstein, eine der vielen Sehenswürdigkeiten im Gebiet des Sonnenbergs und der Lübower Berge. Der Stein war der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt. Erst nachdem vor etlichen Jahren bei Rostock ein ähnlicher Stein gefunden und darüber in den Heimatvereinen polemisiert wurde, erinnerte man sich auch dieses Steines bei Parchim. Er trug verständlicherweise bis dahin keinen Namen und stand in keiner Beziehung zu einer Sage. Das heißt - um alle Irrtümer auszuschließen - sämtliche Brautsagen des Sonnenbergs beziehen sich auf den Breiten bzw. Großen oder Brautstein in der Nähe des Glasborns. Obwohl bei mancher Sage die Örtlichkeit des heutigen Brautsteins im Steinbecker Holz besser auf ihn als auf den Breiten Stein zutreffen würde. Allerdings steht heute neben dem Brautstein eine Tafel, auf der doch eine Sage angebracht ist. Die wenigsten Besucher dieser Sehenswürdigkeit werden wissen, welche Bewandtnis es damit auf sich hat.
Als die Parchimer die Natur- und Bodendenkmäler im Sonnenberg für die Naherholung erschlossen, stellte man an ihnen erklärende hölzerne Tafeln auf. Dabei stellte sich heraus, dass zum Brautstein keine Sage zu finden war. Was tun? Um auf diese touristische Attraktion nicht zu verzichten, schrieb der bekannte Parchimer Lehrer und Heimatforscher Walter Dahnke eine neue und zum Brautstein passende Sage. Es ist die, welche in Kurzfassung auf der Tafel steht. Wer die Hintergründe der Entstehung nicht kennt, wird die Sage für echt halten. Sie enthält aber absolut keinen historischen Hintergrund, sondern ist wirklich frei erfunden. Walter Dahnke meinte dazu: „Dees Geschicht hew ick mi sülben utdacht. Ick dacht, dat to den’n Brutstein ok 'ne Geschicht sin mößt.“
Und das ist die Geschichte:
In Spornitz war mal ein Jägerbursche, der erlernte dort sein Handwerk. Einst ging er durch den Wald, da traf er ein Mädchen aus Godems. Es pflückte dort Beeren. Der Jäger aber war jung und das Mädchen war schön. Da half er ihr beim Pflücken. Mittags war der Korb voll. Sie setzten sich auf einen Stein, der dort lag. Der Jäger aber hatte kein Brot mitgebracht. Das Mädchen teilte ihres und gab dem Jägerburschen die Hälfte ab. Denn das Mädchen war auch jung, der Jäger aber auch schön. Als sie sich beide ansahen, wurden sie rot. Sie hatten sich lieb. So haben sie manchen Tag zusammen Beeren gepflückt. Einmal aber fragte der Junge das Mädchen, ob sie seine Frau werden wolle. Da sage sie:
„Ja, wi sünd äwer noch jung und möten noch täuben.
(Ja, wir sind aber noch jung müssen noch warten.)“
Das sagte sie jedes Mal, wenn er fragte. Er war aber sehr ungeduldig. Da sagte sie eines Tages:
„Wenn du dissen Stein deilt hest, denn sall de Hochtied sin! (Wenn du diesen Stein geteilt hast, dann soll die Hochzeit sein!)“
Da kam er jeden Tag mit Hammer und Meißel und fing an, den Stein zu teilen. Aber mit einmal gab es einen großen Krieg. Der Jäger musste auch mit. Und da hat ihn nun eine Kugel getroffen. Als das Mädchen dies zu wissen bekam, wollte sie sich die Augen ausweinen. Jeden Tag kam sie und setzte sich auf den Stein, sah die schon eingehauenen Kerben an, seufzte und weinte. Darum heißt der Stein „Brautstein“ und die meisten Leute wissen gar nicht, warum.