Der Schimmelreiter auf dem Burgwall von Dorf Mecklenburg

Der Schlossberg bei Dorf Mecklenburg, so geht die Sage, stehe unter dem klaren Schutz des Schimmelreiters. In besonderen Nächten, wenn wilde Wolken über den Himmel jagen und im Sturmrauschen das Geäst der Eichen gefährlich knackt, haben Leute ihn früher tatsächlich manchmal sehen können. Er ritt dann oben auf dem Wall entlang, trieb unermüdlich sein Pferd über Wurzelbülten und niederliegendes Holz, dass sein Mantel wild hinter ihm her wehte. Man sagte, er bewache uralte Schätze aus wendischer Zeit im Innern des Schlossbergs; und in solchen Nächten könnte ein Baum stürzen und sein aufklaffender Wurzelteller das kostbare Gold freilegen. Deshalb die unruhige Hast des Schimmelreiters.
Einmal geschah es, dass bei einem Gewitter der Blitz in das Haus eines Büdners gefahren ist, welches nicht weit vom Fuße des Walles lag. In kürzester Zeit stand das ganze Gehöft in Flammen, und alle Versuche, das Feuer zu löschen, waren vergeblich. Wie schnell auch die Dorfbewohner herbeigeilt kamen, wie verzweifelt der Büdner und seine Frau auch die Hände rangen – denn unter dem brennenden Schilfdach befanden sich ihre Kinder – niemand konnte mehr an das Haus herankommen. Das Flammenmeer breitete sich weiter und weiter aus, seine roten Zungen schlugen schon auf das Buschwerk am Schlossberg über, welches schnell aufglühte und lichterloh zu brennen begann. Da kam oben vom Wall her der Schimmelreiter herangesprengt. Dicht vor den brennenden Büschen stoppte sein Pferd, er hob die Hand und gebot dem Feuer: „Bis hierher, und nicht weiter!“ Zusehends krümmten sich die Flammen daraufhin zusammen und erstickten in Schwaden von Qualm, bis sich das Feuer kriechend zum Gehöft zurückgezogen hatte und zuletzt auch dort verlöschte. Wie eine Wundererscheinung bestaunten die Leute indes die faszinierende Gestalt des Schimmelreiters über dem Rauch, der seine gebietende Hand erhoben hielt – bis sie plötzlich den jungen Büdner beglückt aufschreien hörten. Der trug auf den Armen seine Kinder aus dem Haus. Wie durch ein Wunder war ihnen nichts geschehen. Als die Dorfbewohner sich dann wieder umwandten, sahen sie nur noch den wehenden Mantel des Schimmelreiters oben auf dem Wall. Sein Pferd hatte goldene Eisen an den Hufen, die im niedrigen Qualm des verloschenen Feuers auffunkelten, als es davongaloppierte.
Seitdem bringen die Leute aus Dorf Mecklenburg dem Schimmelreiter größte Hochachtung entgegen – auch wenn sie ihn über lange Zeit nicht mehr gesehen haben. Und manch einer hat hernach, selbst bis in jüngere Zeit hinein, sein Haus in die Nähe des Schlossbergs gebaut: Es mag sein, dass er es insgeheim dem besonderen Schutz des Schimmelreiters anvertraute. Denn der mag wirksam sein – nach wie vor.


Autor: Kurt Bisalski, Der Kirschbaum auf der Düne

Der Schimmelreiter auf dem Burgwall von Dorf Mecklenburg - Plattdeutsch

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