Meine Großmutter lebte als junges Mädchen in Lenschow. Die Mädchen des Dorfes gingen nach Mestlin zum Tanz. Damals gab es noch nicht die feste Straße wie heute. Sie mussten quer durch einen großen und unheimlich dunklen Wald. Wenn der Tanz aus war, liefen die Mädchen gemeinsam wieder zurück. Die Alten erzählten, dass in dem Wald ein Drache hausen sollte. Meine Großmutter hielt das nie für wahr, sie hatte ihn ja bis dahin auch noch nie zu Gesicht bekommen. Einmal wollte sie nicht bis zum Ende des Tanzabends warten und schon eher nach Hause zurück. Sie verabschiedete sich von den anderen, die noch blieben und begab sich auf den Heimweg. Mitten im Mühlenholz, so nennt man das Waldstück, geschah es. Die bis dahin so ruhigen Baumwipfel begannen zu rauschen und zu krachen, und ein Getöse setzte ein und es wurde immer heller. Dann sah sie den Drachen fliegen. Goldgelb strahlte sein Leib und hinter sich her zog er einen Feuerschweif. Zum Glück hatte er sie nicht gesehen. Meine Großmutter ist seitdem nie wieder allein den Weg gegangen.
Autoren: Evemarie und Frank Löser